Samstag, 11. Mai 2019

Old Music Bimmelbahn

Sind zunehmende Verspätungen untrügliches Zeichen für das herannahende Ende? - Dann wäre dieser Blog allerdings ein geradewegs hysterischer Apologet desselben. Wo mir seit Jahren nur noch Jahresbestenlisten glücken, blieb selbst diese Routine im vergangenen Jahr aus, daß ich mich in diesem Jahr erst im Mai zurückmelde, fällt da wohl kaum mehr ins Gewicht. Ist das nicht eh der ideale Jahresbestenlistenmonat?

Im Versuch an einer Übung, die ich, dann Münchausenpirouette nennen werde, fällt mir die Begründung für das Ausbleiben einer Liste für das Jahr 2017 leicht: Mir gefiel kein Album gut genug.
Erst irgendwann im Verlauf des letzten Jahres entdeckte ich die digital-only (sagt man so?) Veröffentlichung:
Astralplane - Redevout 
Eine recht klassizistische, progrockige Musica Popular Brasileira Platte deren Retro-Gestus von der sensiblen Inspiriertheit der Band aufgefangen wird.

2018 

- kam mir das Ende dann aber zuvor, mit der Ausgabe vom 9. März 2018 beendete der NME sein Dasein. Der New Musical Express war seit 1952 Chronist der meisten aller Triumphe und Niederlagen der Musik, welche alsbald die Massen verzaubern sollte. Doch worüber gab es auch noch zu schreiben und wofür sollte man lesen? In der Zeit kann man auch eine Netflixserie über die 80er sehen und eine bestellte Pizza verspeisen. Am 23.12.1978 hockte ein introvertierter, wenn nicht gar bedrückter PiL Chef John Lydon auf einem der ersten Farbcover des NME, welches den Schriftzug debütierte, der sich meiner Generation als Logo der Zeitschrift einprägen sollte. Irgendwo in einem Vorbei und Mittendrin, in neuen Anfängen und einem nicht erahnten Füllhorn an Ideen schien die Zeit für einen Moment anzuhalten, der Zorn der letzten Jahre verstummt und einer Magie des Ungewissen gewichen. Ich weiß nicht wann es aufhörte, wann es begann, sich gemacht anzufühlen. 1986 vielleicht oder erst 1989, 1992? Irgendwann um 2008 schien mir ein neues Licht zu glimmen, eine zarte Idee zukünftiger Musik jenseits der reinen Vergangenheitsbewältigung. Wenig blieb vorerst davon, doch immerhin bot 2018 wieder einiges an interessanter Musik, manche auch von einer aufmerksamkeitserregenden Missgestimmtheit. Ich fühle mich nicht so falsch dabei, in ein Nichts herein zu flüstern, scheint doch die Musik nichts anderes zu tun. Auch wenn sie sich zum Tanz erhebt. Ich habe mich entschieden noch nicht genug zu haben. Mache mir kaum Illusionen, daß einstige Zeiten zurückkehren können, keine Straßenfeger mehr. Aber ich werde die Augen und Ohren offenhalten, das bin ich nicht zuletzt John Lydon schuldig.

Pistol Annies - Interstate Gospel
Als Crosby, Stills and Nash einer tristeren Zeit bezeugen die Drei zumindest eindrucksvoll die Kraft des Miteinanders. Das Resultat sind enorm dichte, aufrichtige und wohl durchdachte Songs.

Ana Silvera -  Oracles
Die sparsamen, mitunter an Bartoks Bearbeitung volksmusikalischer Themen erinnernden Arrangements tanzen gleich Laub im Herbst und interessieren sich nicht für eine Grenze zwischen Singer-Songwriter- oder Ernster-Musik.

Kaia Kater - Grenades
Der wahre Zauber liegt nicht in ihrem exzellenten Banjospiel, sondern in einer Ausnahmestimme, ein sanfter leicht nasaler Sopran, der stets eine Eigendynamik zu entwickeln scheint, in tiefe Töne abgleitet und von Kater mit sanfter Geste eingefangen wird.

Timo Blunck - Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?
Tatsächlich ist es der Soundtrack zu seinem gleichbetitelten Roman einer Lebenskrise. Ganz im Alleingang spielte er erstaunlich sinistre, oft americana-geprägte Songs ein, rauher, als man es von einem Steely Dan Perfektionisten vermuten mag.

Chris Dave and Drumhedz - Chris Dave and Drumhedz
Wenn Tweet in ihrem klaren Sopran „Time and space stand still“ singt, trifft einen der Moment inmitten eines rauschhaften, an die Grateful Dead erinnernden Strom von Tönen, gleich einer Offenbarung.

Artwork: Dies Caya

Sonntag, 5. März 2017

Was zählt? Musiklisten? Das Jahr 2016

War es lediglich Lustlosigkeit? Andere Ereignisse, welche die Aufmerksamkeit beanspruchten? Oder doch Enttäuschung? Abgesehen von Esperanza Spaldings wagemutigem Schritt hin zu einem bizarren Entwurf eines edukativen Glam Jazz-Rock, den ich und meines Erachtens auch die Welt so noch nicht gehört haben, blieb doch wenig. Miranda Lamberts verletzte Reise an die Grenzen der Countrymusik und Lafawndahs strenge, fast brutale Arbeit an einem weltmusikalischen R&B mochte ich ebenfalls immer wieder auflegen. Alles was folgt, erfreute mich als Einzelwerk, die Rückkehr Crosbys zu seiner ersten Solo LP, Kacey Musgraves neuerliche Verfeinerung, diesmal weniger sozialpolitisch relevant, David Vireilles Avant-Jazz und Okzharps Avant-R&B, Soft Hairs ausgedehnter Orgasmus, Climas brasilianische Kammermusik, Weyes Blood, die sich von Neo-Folk Konventionen frei machte und die beiden Songs von Alben, für die ich mich gern hätte begeistern können - ein Jahr.
Ich mag hinzufügen, daß mich ein paar Comics begeisterten: 
Catherine Meurisse “Die Leichtigkeit”
Cyril Pedrosa “Jäger und Sammler”
Manuele Fior “d'Orsay Variationen”
Loo Hui Phang & Philippe Dupuy “Nuages et pluie"
Aber Comics vermögen nicht, was Musik kann, diese Intensität jenseits der Sprache, das unmittelbare Mitwippen, Schwelgen in Rhythmen und Melodien, die Hoffnung auf große Entwürfe, eine Zukunft, die ich immer noch in den Stücken hören möchte, wie einst in meiner Jugend. Mag sein, daß ich dafür zu alt bin, mag sein, daß Musik diese Visionen nicht mehr ohne weiteres liefern kann.


Esperanza Spalding - Emily’s D + Evolution (LP)

Miranda Lambert - The weight of these wings (3 LP)

La‎fawndah - Tan (EP)

David Crosby - Lighthouse (LP)

Kacey Musgraves - A very Kacey Christmas (LP)

David Virelles - Antenna (10" Mini LP)

Okzharp & Manthe Ribane -‎ Tell Your Vision (EP)

Soft Hair - Soft Hair (LP)

Clima - Monumento ao Soldado Desconhecido (LP)

Weyes Blood - Front row seat to earth (LP)

Blood Orange - E.V.P. (Song)

Warpaint - Whiteout (Single)


Sonntag, 3. Januar 2016

Die Stille dieser Straßen - Musikliste 2015




Nichts ist, wenn die Zeit anhält. 
Die Grausamkeit, so liesse sich einwenden, liegt darin, daß die Welt sich einfach weiter dreht. Oder ist es andersherum? Die Grausamkeit ist die Veränderung? Fast spielerisch konnte man seine „will never die“ Popgewissheiten in den vergangenen Jahrzehnten verschwinden sehen. Oder man konnte auch einfach weitermachen, Pop stellt sich nicht in den Weg. Lustigerweise wäre somit im „Einfach Weitermachen“ der Wandel schon manifestiert. Weitere Bands werden zu ihrem 20sten gratuliert und scheinen nicht ansatzsweise so fern, wie Elvis 1975. Die recht sanften, aber wenigstens spürbaren Wellen der letzten Jahren verflachten, so kam es mir vor. 

Die Grimes LP enttäuschte mich enorm bei ihrem Versuch, eine vakante Madonna Stelle per Initiativbewerbung besetzen zu wollen. Julia Holter strandete in ihren tollen Stücken über Ertrinkende an den Gestaden Burbanks, ganz allein, niemand, der ihr die Hand reichte, sie mitnahm, auf die Wine Street etwa. Die weltoffizielle Platte des Jahres von Kendrick Lamar erschien mir als opulentes Hörbuch mit einer durchaus beeindruckenden Soundkulisse, vielleicht wirklich etwas Neues, nach dem Songformat. Oder doch auch die Untiefen eines Konzept-Doppelalbums? In den Momenten, die ich es am meisten mochte, dachte ich an D’Angelo und sein wunderbares, in den letzten Tagen des (nun vor-)letzten Jahres eher unterschätztes Werk. Wäre nicht Kamasi Washington dann ganz in der Nähe? Washingtons Werk überschreitet für mich ganz bewusst eine Grenze zum Gestern, einem fiktiven, ja idealisierten Gestern, eigentlich eine Science Fiction Parallelwelt, aber zugleich komplett Retro: Sun Ra und Coltrane im Geist Isaac Hayes - ach, hätte es das doch gegeben. Ich mag allerdings mittlerweile die offenen Enden der Pop-Geschichten, die Enttäuschung des Unerfüllten und verlor doch auch mal den Glauben an Retro, was mir nach einer von Revivals mitgeprägten Jugend, auch gestattet sei, so hoffe ich. 

Komisch, 2014 war in den Erwartungen enorm präsent, aber auch mit seiner Musik. Vielleicht war die Mr. Twin Sister LP doch der ganz große Wurf, frage ich mich heute, ein Jahrzehntwerk gar? Die offensichtlich Freiräume erarbeitende FKA twigs LP überstrahlte das möglicherweise langfristiger wirksame Album. Ein wenig um eine Wiederholung dieses Effekts zu vermeiden, habe ich die Kategorien geändert. Aber auch, weil es so wenige Alben gab, die mich begeisterten, aber auffällig viele Mini LP’s / EP’s. Vielleicht ist „M3LL155X“ FKA twigs bisher größte Leistung und  wird doch im klassischen Formatdenken übersehen. So übersehen wie diese stille, mit Klischees brechende LP von The Internet. Ein sehr zartes Drängen in die Zukunft, denke ich heute, vielleicht erkenne ich im kommenden Jahr dann den Quantensprung. Wäre schön, wenn es  diese Freiheit gäbe und diesen Lichtblick im nun vergangenen Jahr.

Weitere Lichtblicke waren für mich vor allem in Randbereichen des R&B: die Trancezustände in der Vergangenheitsbewältigung bei Ibeyi, der unfassbar starke Auftakt von Miguels R&B + Rock Fusion (und auf Albumlänge dann leider der enttäuschende Rest), die Singer-Songwriter Lässigkeit von Lianne La Havas und Zukunftsvisionen von Kelela und Nao, sowie Boz Scaggs Erinnerungen, die mich in einigen Momenten kritisch daran erinnerten, was eine Stimme und ein Song vermögen. Die anderen Sachen, die mir zusagten, blickten meist durch Kajalaugen auf diese Welt.

Bliebe Charles Aznavour, vielleicht werde ich die enorme Kraft seines Albums in kommenden Jahren verstehen, sein Schritt, neues zu wagen, selber zu arrangieren und seine aktuellen Konzerte fast nur mit dem neuen Material zu bestreiten, macht so viel Mut, wie seine Radiosingle mich traurig stimmte, eine Traurigkeit, die mir nicht zusteht, aber die er einem schenkt, um zu sagen, daß es sich auch deswegen lohnt, dieses Leben zu lieben. Hinein in eine Welt, in der diese Liebe offenbar schwindet.

Bleibt das Staunen in der kleinen Kammer namens Pop.
























LP

. The Internet - Ego Death

.. Boz Scaggs - A fool to care

... Helen - The original faces

.... Lianne La Havas - Blood

..... Sexwitch - Sexwitch

...... Init - Two pole resonance


Mini LP / EP

. FKA twigs - M3LL155X

.. Lower - I’m a lazy son… But I am the only son

... Kelela - Hallucinogen

.... Nao - II - MMXV

..... Tropic of Cancer - Stop Suffering





















Single

. Charles Aznavour - Avec un brin de Nostalgie

.. Ibeyi - River

... Mr. Twin Sister  - The erotic book

.... Jessy Lanza, DJ Spinn & Taso - You never show your love

..... I.F.O.: "Nibiru" [featuring Afrika Bambaataa]


Songs

. Miguel - A beautiful exit

.. Miguel - DEAL

... Miguel - The valley

.... Schonwald - Lux

..... Beach House - Space Song

...... Jam City - Unhappy





Sonntag, 27. Dezember 2015

I don't sound like who is Elvis


Vor gut anderthalb Jahren las ich in einem Rundschreiben des Testcard Magazins, daß Rezensionen nun nach Genres aufgeteilt werden. Ob es an der Vergangenheit oder meiner Jugend lag, einst fand ich Genres spannend, heute scheinen sie mir ein Zeichen des Verschwindens von Pop - oder besser jener Idee des Popverständnisses, als bewegter und bewegender, unkalkulierbarer Energie. Mein Kommentar erschien damals in Testcard 24.





I don’t sound like nobody


Die Geschichte ist Legende. Der junge Mann wollte seiner Mutter ein Geburtstagsständchen aufnehmen. Dafür gab es anno 1953 Playback-Karaokestudios in Telefonzellenformat, welche mit einer Art Matritzenschneidemaschine verbunden waren. Die Sekretärin des Memphis Recording Services, Marion Keisker fragte den jungen Mann: »What kind of singer are you?« He said, »I sing all kinds.« I said,»Who do you sound like?« He said,»I don't sound like nobody.«, so berichtet es Peter Guralnick in seinem Buch Last Train to Memphis. Hochamtliche Pop-Geschichtsschreibung somit. Wir wissen, dass Keisker ihrem Chef Sam Phillips von der guten Stimme des jungen Mannes berichtete und dass dieser ihn einlud, wie der junge Mann dann irgendwie nicht so recht wusste, wohin mit sich, mit der ihm an die Seite gestellten Band oder mit seiner irdischen Bestimmung und wie er schlussendlich ein altes Country Blues Stück anstimmte: »That’s all right» (Arthur [»Big Boy«] Crudup) / »Blue Moon of Kentucky« (Bill Monroe), Sun Records, Sun 209, 19. Juli 1954. Oder wissen wir  nicht?

Who is Elvis? 


Man könnte fast denken, ein Rave-Techno-Hit aus der Loveparade-Zeit setzte den Schlusspunkt unter eine Erinnerungskultur, die sich längst als lebendiger Mythos verstand: »Die Geburtsstunde unserer Popkultur.« – Klar, man kann darüber streiten, mit Ruth Brown oder mit Chuck D. argumentieren, aber wird »That’s all right« gespielt, entwickelt der außer Rand und Band singende Junge, gerade weil er nur vom Minimalismus einer elektroakustischen Gitarre und eines Standbasses begleitet wurde, jene Energie die immer noch Zeiten überbrückt. Also was nun? Geschichtsstunde? Mythos? Vergessenswerter Ballast? Exotische Wiederentdeckung?
Phenomanias / 
Interactives Techno–Hit suchte hingegen noch die Provokation. 1992 eine Geste von Wave-Veteranen auf der neuen Welle. 22 Jahre später erscheint der Gedanke nicht fremd, das Werk des bekanntesten Stars der Rock-Phase der Popmusik erstaunt wiederzuentdecken. Erst recht nicht aus der Perspektive junger Hörer. Die wissen auch, dass nicht Techno jenes Zeitalter beendete. Es scheint mehr, wagt man denn zu werten, dass es irgendwie aussickerte. Das wäre die Prämisse dieses Textes: Ob bei Elvis oder weit davor, in der Historie, die Karl Bruckmaier in The Story of Pop beschreibt: Geschichte hat einen Anfang und auch ein Ende. Darin unterscheidet sich Pop nicht von der Malerei der Renaissance, dem Roman oder der Oper. Pop hat seinen Beginn in der bislang größten Völkerwanderung und Völkerverschleppung und entsteht entlang und aufgrund weltanschaulicher, sozialer und technischer Veränderungen. Und gleich dem Roman oder der Oper bedeutet sein Ende kein völliges Verschwinden, sondern den Verlust an sozialer Relevanz, an neuen künstlerischen Ideen, insbesondere solchen, die nicht zusehends kleinere Kreise ziehen. Dafür wird Pop zum Thema der Wissenschaften, wird geordnet und mit mehr und mehr Begriffen versehen, sprich: akademisch  historisiert.
Eine technische Revolution begleitet dieses Verklingen: die Digitalisierung mit ihren potenziell endlosen Bibliotheken. Die unsichtbaren, oftmals nicht mal virtuell zum stöbernden Entdecken gemachten Gänge dieser Bibliothek benötigen Ordnungssystme. Der Klick auf den »Genre«-Reiter bei iTunes oder die professionell charmante Sortierung: »das könnte Ihnen auch gefallen«. Tatsächlich ist das mitunter sehr hilfreich. Wer Throbbing Gristle mag, entdeckt Krylon Hertz. Natürlich können solche Linien auch rückwärts, also historisch, funktionieren. Die bürokratische Revivalkultur der 1980er sorgte für entsprechende Übersichtswerke und eine Generation ordentlicher Buchhalter. Als die Revivals in den 1990ern und Nullern alles Vergangene auf einen »Classic«-Sockel hievten, verloren sich die zuvor noch rituell ausagierten sozialen Bedeutungen. Dieses Vergessen ermöglichte eine Freiheit, welche die Älteren im Entdecken zuvor ästhetisch oder ideologisch verschlossener Bereiche auskosteten: Progressive rocking all over the world!
Auf diesem Weg vernerdet Musik. Hier die alten Sammlerstücke, dort die Systematisierung des Neuen. Wo nicht mehr das Cover im Laden, Pop-Magazine oder Werbungen Aufmerksamkeit erzeugen, erscheint digitales Datengut als enorm flüchtig. Die Bandcamps und Soundclouds steuern dagegen, mit digitalen Covern, User-Charts und der Suchfunktion entlang von Genrebegriffen. Genres fungieren längst nicht mehr als Hort der Außenseiter, sondern markieren die neue Ordnung. Verschmähte Sparten, welche Buchhandlungen einst in quietschenden Drehregalen aus Plastik verstauten, stehen längst auf den selben Furnierbrettern wie Henry James. Aber wo ist der jetzt eigentlich eingeordnet? Was kein fixes Genre hat, verbleibt zusehends im verlorenen Irgendwas. Egalisierung ist sicher ein kultureller Gewinn, aber das präformierte Angebot langweilt am Ende nicht nur den Kunden Adorno. Wo ist Raum für Unerwartetes, für Bewegung? Die Verwaltergeneration kann da nicht helfen, die Classic-Generation ebensowenig. Wir müssen uns verstreichen lassen.

And here I sit so patiently waiting to find out what price
You have to pay to get out of going through all these things twice


Pop hat diese zweite Runde, in Dylans oder Marx’ oder Derridas Sinn schon längst durchlebt. Sie schuf verwaltete Geschichte in verwaltenden Genres, wo die Stile längst dritte und vierte Runden drehen: Hauntology. Die Schraube lässt sich nämlich gar nicht festziehen, doch im unerbittlichen Versuch, schaben wir ihr Gewinde ab. So ändert sich trotz digitalisierter Erinnerung etwas. Die Wiederholung erscheint dem Klassizist gewordenen Revolutionär als Farce. Mit jener Macht der Orthodoxie, welche Derrida in Marx & Sons den Marxisten und Marxistinnen diagnostiziert, versucht man Deutunghoheit zu bewahren. Zum Glück wurde Pop (noch) nicht gründlich genug verwissenschaftlicht. Zudem meiden Gespenster klare Konturen. Es spukt, wo das Vergangene im Prozess seiner Auflösung innehält und sich als seltsame Erscheinung in Erinnerung bringt. Vergessen beginnt als zersetzender Prozess. Zusammenhänge und komplexe, wertende Strukturen werden undechiffrierbar oder verschwinden. Es bleiben Mythen und neue Deutungen. Vielleicht ist der Wandel die übersehene Essenz der hauntologischen Wiederkehr. Nicht digital fixiert und dem Genre entflohen sabotiert der Wandel die paradoxe Idee eines lexikalischen Umgangs mit Geistern. Vielmehr wird die Erinnerung selbst zum Geist, als fernes, fragmentarisches, aber zugleich noch einprägsames Echo. Es erklingt im Hall der Stimmen von Boy Friend oder in den unbestimmten, impressionistischen Songs Lucrecia Dalts. Wenn Grimes die Musik Enyas als Vorbild anführt, verhallen alte Zusammenhänge. Interviewer, die mit hochgezogener Augenbraue »Ähnja?«fragten, kämpften aussichtslos um Definitionsmacht. Die jungen Leute müssen sich nicht einmal mehr darüber ärgern, ihr pragmatischer Umgang entspricht dem Vergessen: also nicht funktionalisiert wie ein digitales Sample, sondern als mythenverliebter Hauch. So spukt der Wandel in einer Musik zwischen gotischem Dream Pop und R&B, bei Evy Jane, Jody oder FKA twigs. Ihre Struktur des Mixens ist jene, an der auch Elvis partizipierte. Allein, die Räume wurden enger, die Schritte kürzer und die zu überbrückenden Grenzen harmloser. Mag auch sein, dass die erwähnten Töne noch viel zu fern des Vergessens sind. Doch unentwegt verwischen Geister mit breiter Besenschnauze, gleich dem Hund in Disneys »Alice in Wonderland«, die Fährte, der sie nachstellen. Es gibt kein Weg zurück.
Jenseits von Genres und gespeicherten Daten, determinieren Lebenszeit und Neuinterpretation die Gesetze des Vergessens. Hier mag Neues entstehen. Manchmal erinnern wirklich bedrohliche Wiedergänger die Popmusik an ihre einstige Kraft, weniger bei Oneohtrix Point Nevers verkochten Nudeln, eher bei Conchita Wurst. Sie wiederholt »I am what I am« als Notwendigkeit fern aller Farce. Eine dramatische Geste vor dunklem Horizont. Doch da reden wir über Politik und Ideologien, todbringende Genres, dem Spielerischen der Pop-Unmittelbarkeit abhold. Sie gehorchen dem unbewussten Geisterspiel Derridas viel mehr als Pop es je tat.

Oliver Tepel

Freitag, 21. August 2015

Tuxedomoon und die Psychopolitik - 1985 - 2015

Apollos Eselsohren 

Holy Wars, 30 Jahre später



















Endlose Bewegung. Wieder eine Welle, abermals erobert sich das Wasser neue Zentimeter des zuvor noch trockenen Sands, dann weicht es zurück - Stille - eine neue Welle. Aus dem Kopfhörer ein auf- und abschwellendes Brummen, ganz ohne Hast. Seine unbestimmte Beharrlichkeit illustriert das stete Anrollen der Flut. Bild und Ton am Strand von St. Malo - noch endlos breit und doch in absehbarer Zeit vom enormen Tidenhub überspült. Das Unvermeidliche beklagen Klarinette und Trompete in melancholischen Melodien. Ihr pessimistisches Schwelgen eröffnet dabei erst ein Album, an dessen Ende mir die Sonne eine kleine Wunde, auf den Brustkorb gebrannt haben wird. "The walz" von "Holy wars", dem (je nach Zählweise) dritten, vierten oder gar fünften Album der von San Francisco nach Europa emigrierten Band Tuxedomoon. Endlose Bewegtheit.

30 Jahre sind seitdem vergangen. Die Wunde war bald gut verheilt, doch ganz vergessen wurden weder die Sonnencreme-Achillesferse, noch die Musik. Seltsam, daß es kürzlich jene Momente der Gesellschaftskritik in ihren Texten waren, die mich an den Strand zurückholten. Erschienen sie mir einst doch vornehmlich als stereotype Slogans, etwas unangenehm, in der Art, wie sie in den Klang der Sozialkritik meiner jungen, engagierten Lehrer einstimmten. Wie ein Tintenklecks aus dem stylischen Kolben-Füllfederhalter der Schultage anno 1985 breiteten sie sich nun aus, über einige Seiten aus "Psychopolitik" von Byung-Chul Han, einem populären Vertreter jener Autoren schmaler Bändchen, welche die neoliberale Macht beschreiben und kritisieren. Hans' These, daß die Kontrollgesellschaft längst vom Einzelnen internalisiert wurde, ist erstmal wenig mehr, als die Wiederholung von Norbert Elias Theorie über den Prozess der Zivilisation. Auch dort klingt an, was Han dann als zentral sieht: das Subjekt übernimmt die Regeln gern, sie zu befolgen, verspricht Gewinn und Geltung; ja die Regeln sind gar derart, daß sie motivierend wirken. Die Gesellschaft: keine Klassen, erst recht keine revolutionären Klassenkämpfer, sondern nach persönlichem Erfolg strebende Einzelne. Gut, die Klassen sah Elias noch in zentraler Bedeutung. Bei ihm könnte man jedoch in seiner Beschreibung der, Klassengrenzen transzendierenden An- und Übernahme von Regeln, wie den Tischsitten oder Reinlichkeitsgeboten auch schon den Motor des scheinbaren Verschwindens der Klassen finden. Aber nicht nur das, sondern auch eine Begründung jener Bereitschaft, sich heute freiwillig einer iWatch Big Data Selbstüberwachung auszusetzen. Eben gar nicht per autoritärem Druck, sondern als ein, mit der Leichtigkeit des Verstärkungslernens vermitteltes Verhalten. Keine Geknechteten, sondern hoffnungsvolle, mitunter gar beglückte Egos, gute Kunden ... und so fort. In einem kleinen Exkurs bemüht sich Han mitten im Buch um eine Differenzierung der Begriffe "Stimmung", "Gefühl", "Emotion" und "Affekt". Vornehmlich, um darauf hinzuweisen, daß Emotionen und nicht Gefühle oder gar rationale Gründe vermarktet werden. Eine sinnvolle Differenzierung der Begriffe für eine ebenfalls nicht ganz so neue These. Und doch Grund genug, um auf einer Zugfahrt Randbemerkungen auf die Seiten zu kritzeln, über die Popkultur, die im Dienste der Vermarktung so vorteilhafte Figur des ewigen Jugendlichen (solche, wie ich und vielleicht auch Sie, verehrter Leser) und dessen emotional begründete Entscheidungen. Dazwischen steht auch in Blei: "Holy wars".
But holy wars have disappeared
There's nothing left to fight for here
There's only fear

Pick up where you just left up
Pick up the little pieces 
You left upon the altar devoted to yourself 
(Winston Tong/Tuxedomoon - Holy wars)
Ich hab das nie verstanden, warum sollte ich für einen Heiligen Krieg sein? Doch wen Tong da 1985 beschreibt, so wird mir heute klar, ist Hans' selbstmotivierter, narzisstischer Konsument, voller Angst, den Anforderungen nicht zu entsprechen. Hatte Tong brilliant die Zeichen der Zeit erkannt? Sprich, die von den Theoretikern der Chicagoer Schule, unter ihren ausführenden Kräften Pinochet, Reagan und Thatcher geformten Menschen?

Vielleicht ist es nur der Blick des Fremden auf Europa. Auf Touren und Reisen gesammelte Eindrücke, die sich zu Stimmungen und Mutmaßungen addieren: 
London to Paris
Amsterdam to Berlin
Walking the same streets
Thinking the same thoughts

Walk down Wardour to Saint-Germain
Is one big lonely city but I don't care
One big Eurocity but I don't care
(Steven Brown/Tuxedomoon - Some guys)
Die Stimmung? Romantik, vielleicht "Schwarze Romantik", jedenfalls fern eines neuen Arkadiens. Doch offensichtlich war es bereits vor 30 Jahren gut möglich, jene aktuell beklagte Uniformierung der Innenstädte zu bemerken. Damals ruinierten Ketten traditionsreiche Einzelhandelsgeschäfte. Mieten stiegen, die Armen wurden verdrängt, wenngleich weniger aus dem Brüssel, welches die Bandmitglieder auf Zeit ihr Zuhause nannten. Dafür bot die Stadt eine schmutzig graue Kulisse. Für den Symbolismus des 1981 noch in London eingespielten Albums "Desire", aber auch für die 1982 von Maurice Béjart angeforderte Ballettmusik "Divine", sowie die kühlen Nachtfahrten der "Suite en sous sol" Doppel 12". Als in der Folge die wenigen neuen Stücke, gleich jener, zusehends im Schwarz der Palette versinkenden Serie von Selbstportaits des Malers Leon Spillaert klangen, mochte man das nahende Ende der Band wähnen. Doch "Holy wars" schärft nach drei Jahren Albumpause die Kanten. Selbst wenn eines der Gründungsmitglieder, Blaine L. Reininger, ein sehr guter Songwriter, die Band verlassen hat, wirken die Stücke  erstaunlich vielfältig, wiewohl zu dem Preis, daß das Schwelgen von "The waltz" nicht durchgehalten werden kann. Was Reiningers Violinreigen verknüpfte, wird nun vom Weckruf einer Trompete getrennt. Allerdings bleibt eine Kohärenz, eine unsichtbare Stimme, die weiterhin unablässig "Loneliness" flüstert, wenn auch manchmal etwas abseits, aus dem Mund des talentierten Epigonen Karl Biscuit. Seine Veröffentlichungen erscheinen als alternative Fortsetzung der Bandhistorie, eine Wonne all jenen, denen "Holy wars" als zu "poppig" galt.












Ebenfalls 1985 erscheint Blaine L. Reiningers zweite Solo LP "Night air". Noch ist es möglich, des Nachts mutterseelenallein über den Grand Place zu schreiten, vorbei an den prachtvollen Exoskletten vergessener Geschichte, hinein ins "Interférence" mit seinen flackernden Bildschirmen. Reininger wirkt gehetzt, unwohl. So vollzieht er in seinen Liedern just jenen Spagat, den die Band mit "Holy wars" wagte: persönliches Leid trifft in Popsongs auf gesellschaftskritische Bemerkungen. Eine davon verwirrt mich heute wirklich:
They were riding the Metro into town
listening to the latest noise
Modern girls with headphones on their heads
modern European boys
Βusinessmen in leather overcoats
staring at their wrist T.V.'s
Pale accountants balancing the books
computers resting on their knees
Modern Europe in between wars
wears Japanese technology..
Why start a war when the future's just arrived?
It's a mystery to me

Mystery and confusion
History as illusion
(Blaine L. Reininger - Mystery and confusion)
Laptops? 1985? Blickten die Tuxedomoon Leute doch durch ein magisches Glas in die Zukunft? Die auf den ersten Blick so uniform wirkenden Gestalten jener Zukunft im Hier und Jetzt sind den Menschen der Post-Langeweile Gesellschaft unserer Tage, die sich den Arbeitsweg mit allerlei Gadgets versüßen, sehr ähnlich. 
Vergnügte in uniformen Städten. Ziel einer Kritik, die seit dem Beginn der 80er der Gesellschaft eine Sinnkriese diagnostizierte. 1982 erscheinen Vorlesungen von Manfred Frank, welche jenen Gedanken unter dem Titel "Der kommende Gott" aufgreifen. Wer da kommen soll? - Dionysos. Er entsteigt jener eingeforderten "Wiederaufrichtung mythisch-religiöser Sinnzusammenhänge“*, dieser Tage. Ein Bestreben, daß  seit der Romantik den weltlich technokratischen Sinngebungen (oder Sinnleeren) trotzt, bei Nietzsche enorme Popularität erreicht und durch die Ideenwelten von Nationalsozialisten, Hippies und New Agern streift, mal als tanzender Bacchus, mal als alles einende, mörderische Vision.
Auch die sich betont apollonisch gebenden Tuxedomoon verstehen den Anspruch und seinen Sinn, schrecken dann vor dem eigenen Songtitel "Hugging the earth" doch zurück und kürzen ihn schamvoll ab: „H.T.E.“. Trotz aller Effekte und Dissonanzen kann das sperrige Stück seine Botschaft nicht verbergen: es gibt nur eine Erde, "It's all we got to last this night".
Tuxedomoon suchen auf dieser Erde nicht das große "Wir", eher eine Notgemeinschaft. Und selbst um den Willen des Erhalts dieser, in wirtschaftlicher Ausbeutung geschundenen Erde will kein heiliger Krieg ausbrechen. Vielleicht aufgrund des unversöhnten Widerspruchs zwischen dem Irdischen und dem Heiligen. Tuxedomoons Wortgeber hadern mit dem Dasein hier vor Ort: Überdruss am Leben, das, in den Worten des spanischen Heiligen und manieristischen Dichters San Juan de la Cruz, ja eh nur ein konstantes Sterben ist (St. John), vergebliche Suche nach Liebe (Some guys), Liebe, die nicht lebbar ist (Bonjour Tristesse) oder vor deren Offenbarung die Sprache versagt (In a manner of speaking), Gewalt und Verdruss statt Liebe (Watching the blood flow) und am Ende doch wieder der Einzelne, der gerade ein Geschäft betritt: "to buy something, a little nothing, to fill up the hole in his heart" (Egypt).
Keine Soldaten eines heiligen Krieges. Verzagte, auf allen Seiten. Diese Seiten existieren noch, ein letztes Dagegen, wenn der (auch aus Peter Heins Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes bekannte) Vers "Me I never got what I want and don't want what I have" (Watching the blood flow) am Ende des Stücks zu "Me I never got what I want and don't want what you have" gewendet wird. - Dann wenigstens nirgendwo hin, als mit den Anderen zu trotten.
So ist es doch ein Drama, ein unentwegtes, indes nur aus der Perspektive der oppositionellen Minderheit, der wenig mehr als die Verweigerung und eine unstillbare Sehnsucht geblieben ist. Ob als Gefühl oder als Stimmung versagt sie sich der Erfüllung. Doch wenn es genau danach verlangt, dann könnte ja vielleicht eine Emotion obsiegen! Falls es das Warenangebot im  Shop nicht richtet, würde Dionysos in seiner Identität als Bacchus vergorenes Getränk anbieten, im Dienste des befreienden Taumels oder aber die Gewaltexzesse der Bakchen, jener im Blutrausch rasenden Frauen, deren Ekstase auf seltsamen Wegen hin zur größten Differenz zwischen dem Gestern von vor 30 Jahren und dem Heute führt: Es gibt sie wieder, die heiligen Kriege.
Interessant, wie die Deutungen ihres Anlasses von "weltlichem Machtkalkül" über "interreligiöse Spannungen" bis zur "Sehnsucht nach der Apokalypse" reichen. Auf wen treffen wir, an den Rädern dieses Spektrums? Erstmal auf solche wie wir, die eine Leere oder was auch immer mit iPhones, iPorsches oder iPetromilliarden stopfen wollen und falls ihnen der legale Zugang fehlt, alternative Wege beschreiten. Doch was, wenn sie nicht dieser Logik folgen? Wenn ihr "Don't want what you have" eine komplette Absage bedeutet, vielleicht so komplett, wie das "Nein" jener Sekten zum Ende des Age of Aquarius, nur ohne deren Autoaggression? (Man darf nicht vergessen, daß "Der kommende Gott" auch die Selbstentmannung kennt und daß die Sinnkriese der frühen 80er zum Teil im Schatten sektischer Massenselbstmorde befunden wurde.)
Klar ist, weder Tuxedomoon, noch Manfred Franks Vorlesungen oder Byung-Chul Hans Thesen können zu diesem Anderen vordringen. Auch das entleerte Leben, was an sich leidet, verinnerlichten Ansprüchen folgt oder hedonistisch feiert, will das Irdische. Sein Tod ist der stille Suizid. Wenn mit ihm kokettiert wird: "Smiling like you looked at death and liked it", "God hear me, what I say is true, I do not want this life“, dann klingt es erst heute wieder nach heiligem Krieg. Ein heiliger Krieg, in den es auch Dionysos zieht, Regeln predigend, die das Wüten rechtfertigen sollen.












Nein, Tuxedomoon wussten weniger vom Kommenden, als daß sie gut beobachteten. Als desillusionierte US-Amerikaner wären die kämpferischen Songs, die 1984 aus Großbritannien schallten, eh nie ihre Sache gewesen. Die Grenze zwischen Bohème-Perspektiven und Arbeiterkampf war ihnen klar. "Holy wars" trägt nicht den Schmerz verlorener Hoffnungen, wie er in den pessimistischen Momenten von Style Councils "Our favourite shop" anklingt und den resignativen Ton der Singles des folgenden Jahres prägt. Tuxedomoon hätten sich nicht nach dem Scheitern ihrer Mission aufgelöst, wie die Redskins. Sie hatten gar keine. Was sie aber mit verblüffender Einsicht vermochten, war, den neuen Typus, den Gewinner der vorgeblichen Nach-Klassengesellschaft zu skizzieren. In ihren eigenen kleinen Tragödien, fanden sie sogar das Leiden des vergnügten Menschens, der heute, ein Handheld im Griff, durch die Straßen flaniert und pflichterfüllt die Freiheit preist, welcher er sich gerade selbst beraubt. Ihre Opposition konnte nicht mehr sein, als ein persönliches "Nein", ihre Verstricktheit war stets offenbar. Das ist die Leistung von "Holy wars", auf dessen Cover eine Flamme die Luft entzündet, eine von Bernard Faucons kleinen Apokalypsen, unbeabsichtigt eine Vorwegnahme der Welt in 30 Jahren. Auflodernde Paradoxe, bedrohlich aufgehizte Energie.
Dionysos ist alt, die mit seinem Erscheinen verbundene Unruhe ebenfalls. Die neue Weltordnung ist möglicherweise auch älter, als Tuxedomoon oder Byung-Chul Han es vermuten. Inmitten der bildsprachlich so klar strukturierten, von Klassen geprägten Masse aus King Vidors 1928 entstandenem Film "The crowd", träumt der Held vom persönlichen Glück, einem, welches sich erstreben und erkaufen liesse. Er ist bereit, für ein paar Schritte auf der Karriereleiter alles zu geben. Die "neuen Machttechniken" aus dem Untertitel von Hans' Buch sind sicher viel älter als der Neoliberalismus. Was verschwand, sind die Klassen, entweder faktisch, als in ferne Länder ausgelagerte Arbeitsplätze oder als finanziell bestens versorgte Facharbeiter, sowie vor allem im Habitus, in der Mode, mit ihrer Konformität aus Jeans und T-Shirt und im Wissen der Eliten, daß ihrem System kein Gegenentwurf mehr drohte. Bis die heiligen Kriege wieder begannen - in ihren grausamen Alternativen.

Und wieder eine Welle, aufs Neue nimmt sich ihre schale Schaumkrone etwas vom Sand. Zeit, die Stufen hinauf auf die Promenade zu steigen, nicht etwa erwägen, sich in passiver Romantik mittreiben zu lassen, sei es auf Wellen aus Wein oder aus Blut. Soll Dionysos rufen. Was so nachhaltig von "Holy wars", "Night air" und dem mysteriösen "A propos d'un paysage" in Erinnerung bleibt sind weniger Emotionen, als denn die Stimmung des Melancholikers, des Beautiful Losers, jenem Verzagten, der letztlich doch das Leben liebt. Ob die Flut in ihren ewigen Walzerschwüngen von all dem weiß? 
Tuxedomon - Holy wars - Crammed Discs, 1985
Blaine L. Reininger - Night air - Another Side - A Division of Les Disques du Crépuscule, 1985
Benjamin Lew / Steven Brown - A propos d’un paysage, Crammed Discs, 1985
Karl Biscuit - Regrets Eternels, Crammed Discs, 1984
Byung-Chul Han - Psychopolitik - Neoliberalismus und die neuen Machttechniken - Fischer Wissenschaft, 2015
Manfred Frank - Der kommende Gott - Vorlesungen über die neuen Mythologie - Edition Suhrkamp, 1982
King Vidor - The Crowd - MGM, 1928
Style Council - Our favourite shop, Polydor, 1985
Style Council - Groovin’, Polydor, 1984
Redskins - Keep on keepin’ on, Decca, 1984
Einige tragbare Computer und Laptops vor 1985: 1975: IBM 5100, 1981: Osborne 1, Epson HX-20, 1982: Dulmont Magnum, GRiD Compass 1100, 1983: Gavilan SC und Sharp PC-5000. Kann mich aber nicht entsinnen, je jemanden damit gesehen zu haben, erst recht nicht im öffentlichen Nahverkehr. Mag sein, daß das in Brüssel anders war. Woran ich mich entsinne sind die programmierbaren Taschenrechner, welche in den frühen 80ern populär waren.

* genanntes Werk, Seite 9.

Freitag, 13. Februar 2015

Steve Strange 1959 - 2015

 

 

 

 

 

 

Danke für die Nachtclubschull!

Als ich 1980, an der Schwelle zur Jugend, Visages "Fade to grey" erstmals hörte, dachte ich, mit dem neuen Jahrzehnt habe wirklich eine neue Zeit begonnen. Plötzlich gab es eine Alternative zu den Ökos in ihren Parkas und den Metal Hörern. Ich weiss nicht mehr, ob damals das unfassbare Video zu Fade to Grey in "Disco" oder irgendwo anders gezeigt wurde, sollte ich es gesehen haben, wäre mir einiges klar - und wahrscheinlich habe ich es dann so verdrängt, wie 1978 "Das Model" gehört zu haben, weil es einfach wirklich zu früh für seine Zeit war. Dabei hat man Steve Strange oft vorgeworfen, wenig mehr, als eine bowieske Kraftwerk Kopie abgeliefert zu haben. Selbst der eigenen Band schien ihr Projekt Visage teilweise im Nachhinein peinlich. Letztlich illustrierten die Vorwürfe an ihn aber nur den ewigen Rockismus, der auch in Namen von Punk weitergeführt wurde. Daß es etwas tolleres gibt, als sich biertrinkend rumzuschubsen, daß wusste Strange nur zu gut und er öffnete wortwörtlich dafür den Raum. Hatte letztens die Ehre mit einem "Blitz Club" Veteranen zu reden, über den Glamour, den enormen, selbstdestruktiven Hedonismus und diese gar nicht unterschwellige Dunkelheit, die einerseits in Leigh Bowerys "Taboo" und andererseits in die Gothic Szene des "Bat Cave" mündeten. Es wurde auch angedeutet, daß es Strange nicht allzugut gehe... 

Hätte Steve Strange gerne mal kennengelernt. War vielleicht nicht der liebenswürdigste Zeitgenosse, aber ich hätte mich gerne bei ihm dafür bedankt, mich vor einer langweiligen Jugend bewahrt zu haben!

"Die Schlag auf den Amboss in der Nachtclubschull" 
https://www.youtube.com/watch?v=ZL4MBqxjYFE

Dienstag, 27. Januar 2015

Nach der Zeit - Musikliste 2014

Es war dann auf einmal keine passende Zeit, sich mit Musik zu beschäftigen, ist es vielleicht immer noch nicht. Aber das war es nicht allein, wollte über das Jahr noch ein paar Worte verlieren und suchte nach den Richtigen. Ich würde immer noch suchen, aber es muss ja auch mal gut sein.

LP's

1. FKA twigs - LP1

2. Mr. Twin Sister - Mr. Twin Sister

3. David Crosby - Croz

4. Fear of Men - Loom

5. Sean Nicholas Savage - Bermuda waterfall

6. D’Angelo and the Vanguard - Black Messiah

7. Lydia Ainsworth - Right From Real

8. Paco Sala - Put your hands on me

9. Warpaint - Warpaint

10. Serge Fiori - Serge Fiori

11. Valis - The demolished man

12. Arca - Xen

13. Zara McFarlane - If you knew her

14. Felizol & The Boy - Like Cannibal Father Like Cannibal Son


Ausser Konkurrenz: These New Puritans - Expanded - Live at the Barbican


Singles und EP's

1. Future Brown - Wanna party

2. New Jackson - Of a thousand leaves

3. Oceaán - The Grip EP

4. Evy Jane - Closer EP

5. Clarian featuring Jess Cardinal - Mirror of The Sun

6. Dum Dum Girls - Rimbaud Eyes

7. September Girls - Veneer EP

8. New Jackson - Having a Coke with you

9. Powell - Club music

10. Viet Cong - Cassette EP

11. Golden Teacher - Party People

12. Crooked Man - Undigitize EP

13. Shield Patterns ‎– Dust Hung Heavy

14. Shift Work - Scaled to fit EP





 










 Just get so high and stop your doubting

„Vinyl Sales Hit Record High in 2014“ titelte die Times zu Beginn des Jahres. Klar, vielleicht nur ein modischer Trend, doch gibt es zumindest zwei gute Gründe, mehr zu vermuten. Zum einen ist der finanzielle Aufwand einer Schallplatte guten Klang zu entlocken weit geringer, denn bei einer CD, deren Datenreihen während der Rückverwandlung in analoge Gestalt vom nervigen Zerren digitaler Taktfehler aus dem Fluss gebracht werden. Jedoch, wen interessiert’s, wer setzt sich heute noch ins Stereo-Dreieck? Diese Ära endete in der Popkultur circa zu jener Zeit, als sich Electro Voice aus dem Consumer-Bereich zurückzogen und Flokati-Hörräume mit Bodensitzgelegenheit von den Hifi-Messen verschwanden. Doch da wäre noch Grund zwei: der Fetisch, die versuchte haptische und optische Entsprechung der Klänge.

Schlichtes weisses Standard-Lochcover, schwarze, gefütterte Innenhülle, auf dem weissen Label in grobem Courier nur das Wort „Twigs“. Die perfekte Anlage des Jahres 2012,  bei aktuellem Kurs könnte sie mit jährlichen Zinssatz von 300%. aufwarten. Natürlich nur fiktiv, keine Ausschüttung, wird eh behalten, Fetisch-Objekt? -Vielleicht.
Sich im Angesicht der Frage, wer oder wie man so sei, selbst als Objekt zu betrachten, war bislang FKA twigs maßgebliches Experiment. Mehr ein suchender, als denn rein ästhetischer oder spekulativer Ansatz, daher auch interessant. Und neu, denn lediglich spielerisch traf im Cyber-R&B der späten 90er ein wachsender Strom digitaler Daten auf Bilder des Körpers, schuf cellophanartige Transformer aus gepixeltem Wunderzeugs oder aus Matchbox-Blech. Doch seine, mitunter rustikal gemorphten, Stimmen sangen Statements und in ihnen war wenig Raum für Fragen, jenseits von Aaliyahs: „Are you responsible?“. Wohin sie uns auf der Suche nach der Antwort noch geführt hätte, werden wir leider nie wissen, aber als Aaliyah „Rock the boat“ einspielte, war bei ihr die Idee einer futuristischen Musik längst dem Spiel mit weit klassizistischeren Yacht-R&B gewichen, immerhin: es klang wundervoll.

Nein, ganz neu ist es dennoch nicht. Eigentlich singt FKA twigs aus einer Welt, die Pop erstmals mit Essra Mohawk in der Melancholie von „Primordial Lovers“ betrat, als übernächtigte Hippie-Grazie, grübelnd, welche Form sie wohl annähme, wenn sie sich als Objekt einer Sehnsucht, eines Verlusts oder einer Erfüllung vorstellt. Welche Beziehungen und Abhängigkeiten entstehen?
Vielleicht gibt es eine noch ältere Quelle mit „I only have eyes for you“ in der Version der Penguins. Ihre psychedelische Vision des Verliebtseins als sensuelle Entgrenzung fand aber im erdigen R&B kein wirkliches Echo. Soul widmete sich Jahre später auf seine Weise dem Thema, existenzialistischer, als organisches Blühen oder selbstgewisses Leiden. Dagegen hier nun das Artifizielle: der Kopf der Künstlerin als Töpferarbeit vor monochromen, aus dem „Water me“-Video vertrauten Blau. Nicht ganz makellos aufgrund der handgefertigen Oberfläche oder ist es doch nur die verletzliche Haut, rot eingefärbt, Make-Up und Brandfarbe der Keramik, alles gleichsam Wundmale?
Dem Album liegen vier Kunstdrucke bei, in denen Jesse Kanda Twigs’ Antlitz manipuliert, als sei er der grausam begeisterte Nachbarsjunge Sid aus Toy Story. Die Drucke scheinen wie kolorierte Analogien auf Twigs gemorphte Stimme im Sound der Produzenten. Kandas Antwort auf Aalyahs obige Frage wäre wohl: „No, potentionally not responsible.“ Aber das muss so sein. In diesem nicht befriedeten Miteinander findet FKA twigs ihren Ort, ob nun als reiner Klang oder verletzlicher Mensch und zelebriert zwischen diesen Polen ihre Transformationen in unbekanntes Terrain.
Identitätslos, als düstere Männerphantasie, exploriert Twigs’ Produzent Arca auf seiner ersten Solo LP die Verwandlung als Mutation, hier passen Kandas Bilder noch besser. Arca spielt mit dem Vorgefundenen, ohne sich dabei in eine Relation setzen zu müssen - der schreckliche Nerd vor dem Laptop? 


Dies bedeutete 2014, den R&B nach über 70 Jahren 
aus seiner Rolle als Funktionsmusik zu befreien.
 
Demhingegen war die weibliche Stimme im R&B stets prekär. Sie proklamierte einst eine Unabhängigkeit von der Kirche, von der entrückten Gospelstimme und ihrer energetischen Version des Belcanto. Jenseits althergebrachter Regeln eroberten La Vern Baker oder Ruth Brown groovig dröhnend, kieksend und fauchend eine Freiheit, die vielleicht weniger wagte, als manche Blues Sängerin der 20er. Allerdings war aus der im Leben stehenden Erwachsenen, ein aufmüpfiges Teen- oder Twen-Girl mit Aussicht auf Star-Ruhm geworden. Diese eroberten Möglichkeiten weiterzuspinnen und just den vor einigen Zeilen weiter oben abgewickelten Faden der Penguins wieder aufzunehmen, hieß anno 2014, den R&B nach über 70 Jahren aus seiner Rolle als Funktionsmusik zu befreien. Es war seit dem BeBop stets Vorrecht des Jazz, später dann des progressiven Rocks und vereinzelt des Souls, nicht zum Tanze aufzuspielen. Nun fordert R&B das reine Zuhören. Ja, stillsitzen im Stereodreieck, den dreidimensionalen Sounds und der meist hoch emotionalisierten Stimme folgen, hören, was sie zu sagen hat. Wenn auch wahrscheinlich nicht aus den Hörnern und Tweetern alter Electro Voice Lautsprecherboliden.

Und dann lassen sich die abgedruckten Texte nicht entziffern? Das Scheitern am Schriftgrad hat Methode, es verführt zur Verwendung der beigelegten Lupe. Im virtuellen Spiel mit den gebündelten Lichtstrahlen fährt die fetischisierende Sammellinse irgendwann von den Worten zu den Details der Portraitphotos. Ohne mehr über die Substanz des Gesichts in Erfahrung bringen zu können, simuliert die Lupe dennoch weitere Verformungen und vollendet die Metarmophose des Zuhörers in einen verstohlen obsessiven Otaku-Charakter. Musik, Grafik und Fetisch als entlarvendes Kinderspiel, der übliche Sündenfall.
Am Rand der Lupe, im gewohntem Courier: „I love another, and thus I hate myself“. Twigs’ in „Preface“ choralgleich intonierte Absage an Descartes - und an Dich. Es sei, Du wärst der Andere. - Im Video von Lucki Eck$ „Ouch ouch“ ist der Andere jedoch eine kleine Schlange in Twigs Schlafzimmer. Nichts geschieht, ausser, daß die Justine des Bedroom Souls dem Anliegen des Otaku-Fetischisten nicht ganz entspricht, kein Apfel wird verspeisst. Der identifikatorische Charakter der Musik bleibt dem verdinglichenden Begehren verborgen. Beim Konzert waren dann Beide zugegen, die Gaffer und jene, welche die Texte Wort für Wort mitsangen.


Demgegenüber der Diskurs, 
der Identifikation nicht schafft, 
sondern dekonstruiert.
 
Mit Twigs bleibt Pop eine Kommunikation, die Verwirrung stiftet. Wer sind die Hörer, wer kauft da Platten? Reden wir miteinander? Und was machen wir aus dem Anderen, der Schlange wegen der wir uns verzehren und hassen? FKA twigs stellt ihre Fragen biographisch oder zumindest psychologisierend. Begehren und Identität werden verformt, geprüft, neu formuliert. Sie legt nah’, sich mit ihrer Suche zu identifizieren, sich drauf einzulassen, sich verwandeln - die alte Pop-Forderung und Verheissung.
Demgegenüber der Diskurs, der Identifikation nicht schafft, sondern dekonstruiert. Dean Blunt und Fatima Al Qadiri fanden sich in diesem Jahr an der Spitze einiger hochrangiger Listen. Ihre diskursive Verwertung angeignetem und weiterverarbeitetem Materials erzählt von einer Freiheit und einem Dagegen nach der Rock-geprägten Ara der Popmusik. Nicht als Strom aus Geräuschen, sondern sehr wohl als hochcodierter Song, aber jenseits des Appells, irgendwo unbedarft mitzumachen, entsteht als Appropriation sowie im Abarbeiten an 90er R&B, Grime und aktuellem HipHop, die Klang gewordene Fusion von Cultural Studies und High Art Ideen der Subversion. Was in den 90ern noch probte, vielleicht irritiert von nicht abzulegenden Rock-Posen oder der Freude am Track, hat sich nun manifestiert.

Faitma Al Qadiri ist auch Mitglied der Avant Streetwear Ikone Future Brown, deren „Wanna Party“ sich mittels Tinks Rap sogar eine schnoddrige Aggression leistet. Future Brown und andere halb virtuell agierende Bandprojekte sind die Zukunft. Politischer als ihre Vorgänger, fast wie eine Rekapitulation des Ansinnens von Heaven 17, aber fern deren Altherrengestus. Seltsam, wie D’Angelos Wiederkehr nach 15 Jahren eine alternative, aus der Zeit gefallene Interpretation dieser Aktualität anbot, als Echo auf eine Welle ungesühnter, rassistischer Polizeigewalt gegen Schwarze. Dabei wirkt die umherschweifende Musik kaum drei Jahre jünger als die des Vorgängers „Voodoo“, sie findet jedoch in den Texten eine neue Dringlichkeit.
Die Verwandlungen des Politischen, sowie das Verhandeln diverser Konzepte der Identität erstrahlen im Pop so hell wie seit Langem nicht. Auch wenn sie nicht mal mehr den Eindruck erwecken, Welten zu bewegen, war es für Pop sicher kein „Scheissjahr“- Vielmehr relativiert sich die Idee des Fetisch, denn sie verkürzt zu dramatisch und übersieht, daß auch Pop-Kultur weiterhin ihr Werk als etwas Materielles versteht. Neu mag sein, daß es überhaupt wieder Werke gibt, statt der männlich überhöhten Pose davon, welche seit den 90ern die Popwelt prägte. Wie Warpaint, die Smoke Fairies oder selbst eine Artschool-Band wie Fear of Men in kleinen, nachvollziehbaren Schritten an ihrer musikalischen Entwicklung arbeiten, erschient auf einmal wieder spannend, gar nicht konzeptuell überfrachtet, sondern dem schlichten Wunsch geschuldet, die eigene Musik noch besser hinzubekommen, sie weiterzuführen. Manchmal glücken in solchen Entwicklungen große Sprünge. Zwei durch das Net kursierende frühe Aufnahmen von Twigs zeugen als richtungslose Stilsuche ex negativo davon. Doch statt einen Masterplan auszuhecken, gewinnt Pop wohl doch meist durch Zufälle und Arbeit, wenn auch nur selten in jener Vollendung von Mr. Twin Sister. Darin scheint die erzwungene Modifikation des Bandnamens als präzise inszenierter Schritt in einem ausgeklügelten Masterplan. Doch dieser, von Anbeginn nicht wirklich beizukommenden Band gelang es einfach nur, dreamigen Gitarren Pop in eine Vision der Clubidentität zu transformieren und damit ein enorm anziehendes, aber jenseits von Factory-Records und 4AD der 80er meist zum Scheitern verurteiltes Projekt auf die Füsse zu stellen. Und es ist keine Referenzsuppe. Stattdessen erläutert Sängerin Andrea Estella, in ihrem jedes „i“ kunstvoll akzentuierenden Stil, die Essenz dessen, was Pop am Ende zu bieten hat:
Blow my sorrows away,
Warm my cold heart,
I want to recognize you but I don’t know who you are,
Is this romantic dreaming?
Is this just an illusion?
Is this romantic dreaming?
A memory?
I’ve forgotten everything.


Just get so high but maybe don’t stop your doubting.