Dienstag, 5. Oktober 2010

Ain't it mad how time slips away?


Nächste Woche heute Übermorgen läuft, so verraten es nicht allein die Plakate an den Wänden, die US-Amerikanische Serie "Mad Men" in ihrer eingedeutschten Version an. Ich werde mir diese Serie nicht anschauen, schau' eh schon genug Fernsehen und aus unerfindlichen Gründen plagen mich schwere Abwehrimpulse gegen kluge US-Serien.

Dennoch fielen mir zwei Dinge in der Berichterstattung im Vorfeld der Ausstrahlung auf.

Zum einen wird stets auf die minutiöse Ausstattung und auch die präzise Rekonstruktion des sozialen Habitus der Protagonisten verwiesen. Diese Arbeit scheint nahezu einen Forschungscharakter zu besitzen. Kommentatoren berichten, wie wenig man über jene Zeit Ende der 50er bis Anfang der 60er wisse. Dann liest oder hört man Zitate der Serienmacher die nochmals betonen, daß das Publikum auch so eine genaue Arbeit verdiene, denn sonst würden sie durch kleine Unpässlichkeiten abgelenkt. - Insofern zähle ich auch nicht zum Zielpublikum der Serie, ich bin nicht 70 und habe keine Erinnerung an jene Zeit, ganz zu schweigen von ihrer Gestalt in den USA. Aber es beeindruckt mich, daß man in den USA nun Serien für 60 - 80 jährige mit hohem Aufwand realisiert. Oder ist dem nicht so und wir tappern nur fröhlich durch einen etwas blöden Kreisschluss von dem man hofft, er wirke wie eine selbsterfüllende Prophezeihung. Wenn man den Leuten nur lang genug sagt, wie es war und auch nicht davon ausgehen muss, daß sie nachforschen (wo auch, etwa bei Bourdieu?), so werden sie schon glauben, wie hier alles sehr genau nachgestellt wurde. Ist es nicht wahrscheinlicher, daß auf diese Weise Bilder konstruiert werden und dabei sogleich mit dem Wertigkeitssiegel höchster Authentizität ausgestattet?

Tatsächlich ist es interessant, daß wenige Klischeebilder über jene Phase existieren. Die Phase nach dem Rock'n'Roll und vor den Beatles, das kurz wieder scheinbar saubere US-Amerika welches natürlich schon immens von einer neuen Form von Popkultur geprägt wird, einer, die jedoch just wie gebändigt und kanalisiert erscheint. Keine Lederjacken und Tollen, Petticoats und wirklich wilde Jungs passen in die Vorstellung von jener Zeit und die uns vertrautere Kultur nach den Umwälzungen der zweiten Hälfte der 60er ist noch ungeahnt.

Gleichwohl gibt es natürlich ein paar rare, oft bezaubernd befremdliche Bilder aus diesen Tagen. Die Kamera war immerhin schon erfunden, ja sogar eine Art Ton hatten die Filme bereits. Rock Hudson, Doris Day, Sean Connery, Julie Andrews und Jack Lemmon hießen einige Pioniere des Kintopps jener Epoche. Namen die fremd in unseren Ohren klingen. Es gibt leider nicht sehr viele Quellen dieser fernen und unbekannten Zeit.

Tatsächlich hat sie sich zudem in der Vorstellungswelt versteckt und dort ganz klein gemacht. Gleich mehrmals las oder hörte ich, wie in Vorberichten von einer Welt vor 40 Jahren gesprochen wurde. Vor 40? 1970? - Schwupps fiel eine ganze Dekade unter den Tisch. Vielleicht liegt dies am Alter der heutigen Medienfachmänner. Sie sind nun auch nicht mehr jung. Stankonia, Kid A, Marshall Mathers, Lift your skinny Fists, Sex mit M. Mayer, Waking the Dead, High Fidelity, Virgin Suicides, O Brother where Art Thou? - Alles nun zehn Jahre her, so schnell zieht die Zeit.

Vielleicht kommt eines Tages eine Serie über die Werbe- und Medienwelt um 2000 und den Menschen darin, eine Zeit von der wir wenig wissen.